McCarthy's Arbeitspferd
Das Leben in Alaska ist hart und herausfordernd. In der Wildnis muss man sich auf das Material verlassen können. Deshalb fliege ich einen PC-6 - den letzten mit Kolbenmotor im kommerziellen Einsatz. Gary Green, Besitzer von McCarthy Air
McCarthy ist ein kleines Dorf in den Wrangell Mountains, Alaska. Mit dem Lufttaxi transportiere ich meistens Touristen, die den Wrangell-St.-Elias-Nationalpark in meiner Heimat besuchen wollen. Das Gebiet erstreckt sich über eine Fläche, die grösser ist als die Schweiz, jedoch nur von ein paar Hundert Menschen bewohnt wird. Eislandschaften und unberührte Natur prägen das Bild. Wer hierher kommt, sucht die Wildnis – vom Flugzeug aus gewinnt man einen guten Eindruck von den mächtigen Gletschern und den schroffen Gipfeln. Wanderer und Jäger lassen sich auf einer der zahlreichen, einsamen Buschpisten absetzen, um in dieser einmaligen Kulisse ihren Hobbys zu frönen.
Natürlich fliege ich mit meinem PC-6 auch für die Einheimischen, ist das Flugzeug doch meistens die einzige Verbindung zur Aussenwelt. Mit dem Arbeitspferd aus der fernen Schweiz transportiere ich eine bunte Vielfalt an Waren: von Gütern des täglichen Bedarfs über Bau - materialien, Tierfutter, Schneemobile bis hin zur Jagdbeute – ganze Elche und manchmal sogar einen Bison.
Fliegende Geschichte
Mein Pilatus Porter PC-6 wurde 1962 als Seriennummer 540 gebaut. Heute ist N283SW unter den zehn ältesten noch fliegenden PC-6 weltweit. Noch spezieller macht ihn, dass er (im Moment) der letzte Porter im kommerziellen Einsatz ist, der von einem 350 PS starken Lycoming- 6-Zylindermotor angetrieben wird. Die meisten der ursprünglich so ausgelieferten Flugzeuge wurden zwischenzeitlich mit einer PT-6A Turbine ausgestattet und zu Turbo Portern umgebaut – aber nicht meiner!
Dieses Flugzeug hat eine lange und glorreiche Vergangenheit. Als HB-FAL wurde er als erster PC-6 mit Schwimmern ausgestattet und diente in dieser Konfiguration als Demoflugzeug in der Schweiz und in Schweden. Später wurde das Flugzeug in den kanadischen Nordwest-Territorien und im Yukon für missionarische Lieferungsflüge eingesetzt. Nach 40 Jahren wurde ich schliesslich stolzer Besitzer dieses Schweizer Flugzeugs.
Flottenerweiterung
Ich gründete McCarthy Air 1988 und in den vergangenen 26 Jahren sammelte ich viele tausend Flugstunden. Das Geschäft entwickelte sich gut und so habe ich 2002 diesen PC-6 dazugekauft und mit Skis ausgerüstet. Das Flugzeug ermöglicht es mir, Hochgebirgs-Gletscherlandungen durchzuführen und Bergsteiger nah an die Ausgangsorte ihrer Touren zu bringen. Abgesehen von den Skis ist das Flugzeug absolut original. Die Lackierung, weiss mit blauen Längsstreifen, sieht immer noch einwandfrei aus und passt hervorragend zur eisigen Umgebung auf dem Gletscher.
Mit meinem Porter fliege ich jährlich rund 150 Stunden. In der Flotte von McCarthy Air befinden sich noch eine Cessna 180 und eine zweisitzige Piper Super Cub, mit denen ich die Einsätze fliege, wenn nicht so viel Material transportiert werden muss. Der PC-6 ist dagegen die ideale Besetzung, wenn die Jagdausrüstung, Riverrafting Equipment oder eine Gruppe Wanderer auf kurzen Buschpisten abgesetzt werden soll. Natürlich wünsche ich mir manchmal die Kraft eines Turbo Porters – leider konnte ich mir den aber nicht leisten.
Bison auf der Ladefläche
Den Hartzell Dreiblatt-Propeller – die Nabe ist immer noch die originale – erblicke ich als erstes, wenn ich zum Flugplatz in McCarthy fahre. Jetzt, im Herbst, beginnt der Tag meist sehr früh; in der Jagdsaison gibt es für meinen Porter und mich viel Arbeit. Entsprechend nütze ich die Morgenstunden, wenn die Luft noch kühl und ruhig ist.
Jedes Jahr werden in einer Lotterie zwei Glückspilze bestimmt, die hier draussen Bisons jagen dürfen. Natürlich kommt auch hier die McCarthy Air zum Einsatz; wir sind der einzige Flugzeugbetreiber mit einem genügend grossen Flugzeug und haben die besten Ortskenntnisse, um die Jäger mitsamt der Beute zurück in die Zivilisation zu bringen. Ein ausgewachsener Bison kann bis zu 900 Kilo auf die Waage bringen – dies wird selbst für meinen PC-6 mit gut 1000 Kilo Ladekapazität zur Herausforderung. Besonders dann, wenn ich von einer improvisierten Piste im Flussbett des grossen Chitina Rivers starten muss.
Hut oder Headset
Hier draussen verwende ich den Flugfunk nie – es ist schlicht kein anderes Flugzeug in der Gegend, mit dem ich sprechen könnte. Die McCarthy Air war für lange Zeit der einzige Lufttaxi-Betreiber der Region. Und, noch viel wichtiger, dann könnte ich meinen Cowboyhut, den Stetson, nicht mehr aufsetzen. Und den habe ich immer aufgesetzt. Der Piston Porter und ich – zwei Originale in Alaska!